Eine Ausstellung über die Münchner Brauereifamilie Schülein
Bier kam mit in die neue Heimat
Es ist eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte aus dem Kaiserreich, die derzeit im Bierkeller einer ehemaligen Brauerei in München gezeigt wird: 1873 kommt der 19-jährige Josef Schülein aus der kleinen jüdischen Gemeinde Thalmässing nach München. Dem jungen Mann, der ein Talent fürs Geschäft hat, gelingt ein rasanter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aufstieg.
Zuerst verdingt er sich als Hopfenhändler. Im boomenden München ist das offensichtlich ein lukratives Geschäft, wie alles, was mit Lebensmittelversorgung zu tun hat. 1878 ist Josef Schülein bereits Miteigentümer der Bank, die den neuen Schlachthof mitfinanziert. 1885 kommt dann die bis heute existierende Unionsbräu in der Einsteinstraße dazu – allerdings als Konkursmasse. Die kleine Brauerei ist durch jahrzehntelange Misswirtschaft am Ende. Josef Schülein investiert viel Geld in neue Technik, und das Unternehmen floriert im ständig größer werdenden München der Jahrhundertwende.
Im Laufe der Jahre kommen weitere Brauereien dazu, und 1921 gelingt der große Coup: Schüleins Unionsbräu fusioniert mit der legendären, aber ins Trudeln geratenen Löwenbräu. Josefs Sohn Hermann Schülein übernimmt die Leitung des Betriebes, der mit 600 Beschäftigten zu den größten Brauereien des Landes gehört. Bis 1933 entwickelt sich das Unternehmen, dann zwingen die Nationalsozialisten Hermann Schülein zum Ausscheiden. Josef Schülein stirbt 1938 in der Nähe von München eines natürlichen Todes, aber seine Familie muss nach New York fliehen, der Besitz wird größtenteils „arisiert“.
Die Ausstellung in München zeigt aber auch die menschliche Seite der Geschichte: Fotos, Dokumente und Berichte von Zeitzeugen erzählen vom Münchner Original Josef Schülein, der sich im damals teilweise bitter armen Haidhausen um die Kinder kümmerte, und der es in den 20er Jahren trotz seines Unternehmertums mit den Sozialdemokraten hielt. Oder von seinem Sohn Hermann, der trotz allem immer zu seinem München stand. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg schickte er Care-Pakete nach Deutschland und verzichtete auf die Rückgabe ganzer enteigneter Grundstückzeilen: Dort hatten sich Flüchtlinge niedergelassen, und Hermann Schülein wollte sie nicht vertreiben lassen.
Die Ausstellung zeigt aber auch, wie es jenseits des Atlantik weiterging. Die Schüleins blieben in New York ihrem Gewerbe treu und leiteten die „Rhinegold-Brewery“ – von der Isar gesehen natürlich ein Fauxpas, den man den Wohltätern aber gerne nachsah, wie die Dokumente im Bierkeller belegen. Die Ausstellung hat der Münchner Hermann Wilhelm konzipiert. Wilhelm erforscht seit Jahren Stück für Stück die Geschichte des Münchner Stadtteils Haidhausen. Dabei war er auch auf die Unionsbräu und ihre Geschichte gestoßen. Allerdings gestaltete sich die Recherche schwieriger als bei anderen Brauereien. Diese hätten normalerweise ihren Stolz und führten deshalb große Sammlungen, schildert Wilhelm. „In diesem Fall war es sehr schwer, weil einiges an Akten verschwunden ist, insbesondere aus der Zeit zwischen 1933 und 1945“, sagt er. Außerdem habe die Familie Schülein ein sehr zurückgezogenes Leben geführt.
Widersprüchliche
Lebensläufe
Die Umsetzung der Ausstellung sei dann doch relativ einfach gewesen. Die bizarren, widersprüchlichen und harten Lebensläufe sprechen einfach für sich selbst. Ob Hermann Schülein die Münchner Brautradition in Amerika fortgesetzt hat, vermag Wilhelm zwar nicht mit Sicherheit zu sagen. Er gehe aber davon aus, weil Hermann Schülein trotz aller Geschehnisse in München ein großer Liebhaber der Stadt geblieben sei.
Rainer Meyer
Die Ausstellung „Die Schüleins. Aufstieg, Enteignung und Flucht“ ist täglich zwischen 19 und 24 Uhr im Foyer des Kulturzentrums Einstein in der Einsteinstraße 42 in München zu sehen. Zu der Ausstellung ist in der Reihe „Münchner historia“ ein Katalog erschienen: Hermann Wilhelm: „Die Schüleins. Aufstieg, Enteignung und Flucht“, München, ISBN 3-8311-0214-7.